7.5 Beeinflussungsstrategien von Fachkräften
Welche Risiken können dir noch begegnen?
Die Begebenheiten, die wir hier nennen beruhen auf unserer Erfahrung aus geschlossener psychiatrischer Unterbringung. Es kann also auch sein, dass dir hier genannte Sachen hoffentlich nicht begegnen werden. Trotzdem ist es ganz hilfreich, sich mit Strategien auseinanderzusetzen, die einige Fachkräfte verwenden können, um dich zu Sachen zu bringen, die du nicht möchtest.
Drohungen:
Da einige Fachkräfte sich nicht auf Diskussionen mit Patient*innen einlassen möchten, ist die Androhung von Konsequenzen ein beliebtes Mittel, um ihren Willen durchzusetzen.
Beispiele:
• „Wenn du deine Medikamente nicht nimmst, bekommst keinen Ausgang mehr!“
• „Wenn du nicht an diesem Angebot teilnimmst, kannst du den Rest des Tages in deinem Zimmer (Zelle) verbringen“
• „Diskutiere jetzt nicht, sonst kommst du in den Time-Out Raum!“
Wenn die angedrohte Konsequenz legal ist, hast du wenig Möglichkeiten dagegen vorzugehen. Falls dies nicht der Fall ist und die Drohung umgesetzt wird, hast du immerhin im Nachhinein die Möglichkeit, dich bei behandelnden Arzt*innen (auch Chef- bzw. Oberärzt*innen), Sozialpädagog*innen, Sorgeberechtigten oder anderen Menschen von außerhalb zu beschweren. Handelt es sich bei der angedrohten und umgesetzten Konsequenz um eine freiheitsentziehende Maßnahme, muss diese Familiengericht genehmigt worden sein.
Ausnutzen von anvertrauten Sorgen, Ängsten und Geheimnissen:
Auch kann es passieren, dass Informationen, die du anderen Leuten anvertraut hast, gegen dich verwendet werden.
Beispiel:
• „Wenn du diese Maßnahme nicht mitmachst, landest du wieder auf der Straße.“
Falls Personen anvertraute Informationen gegen dich ausnutzen, werden sie es sicherlich auch wieder tun. Es kann daher sinnvoll sein, sich von diesen Personen abzuwenden. Falls es sich dabei um deine*n Therapeut*in handelt, kannst du um eine andere Person bitten, falls dies möglich ist.
Manipulationen:
Auch können Personen einfach versuchen dich zu manipulieren, dir Sachen einzureden oder deine Worte verdrehen.
Beispiele:
• „Wenn du weiter die Medikamente anderer Leute schlechtredest, bekommst du eine Psychose.“
• „Wenn du nicht einsiehst, dass du krank bist, kommst du hier nicht so schnell raus.“
Erniedrigung deiner Wahrnehmung:
Gerade in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie ist es recht einfach deine Wahrnehmung und dein Urteilsvermögen in Frage zu stellen. Und wenn es lange genug getan wird, kann es dazu führen, dass du deiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr vertraust. Allein die Tatsache, dass man sich in einer psychiatrischen Einrichtung aufhält, lässt die Glaubwürdigkeit deiner Aussagen oft sinken. Auch können gewisse Medikamente deine Urteilskraft und Aufgewecktheit schmälern.
Beispiele:
• „Du bist ja verrückt.“
• „Du weißt ja anscheinend selbst nicht mehr, was du sagst.“
• „Du gehörst doch in die Psychiatrie!“
• „Du bist einfach viel zu empfindlich.“
• „Die anderen denken auch, dass du überreagierst.“
• „Du hast ja eine komische Wahrnehmung.“
Höre nicht auf solche Sätze! Deine Meinung und deine Urteilskraft sind wichtig. Solange du klar im Kopf bist, ist deine Meinung von genauso hohem Wert wie jede andere auch. Du musst kein/e Akademiker*in sein, um Fachärzt*innen widersprechen zu können. Du bist Expert*in für deine Angelegenheiten, Gefühle und Bedürfnisse!
Diagnosen:
An dieser Stelle sollen keine Diagnosen grundsätzlich verteufelt werden. Eine richtig gestellte Diagnose und deren Behandlung ist eine gute Hilfe. Falsche bzw. zu schnell gestellte oder pauschale Diagnosen können aber schlimme Schäden anrichten und gegen dich verwendet werden. Eine falsch gestellte Diagnose kann als Rechtfertigung für allerlei Maßnahmen dienen, mit denen du nicht einverstanden sein kannst. Wenn du mit deiner Diagnose also nicht einverstanden bist, hinterfrage warum du diese Diagnose erhalten hast, äußere dich, dass du damit nicht einverstanden bist. Wenn dies möglich ist, kann es sinnvoll sein, sich eine zweite Meinung/Diagnose einzuholen.